Kraniche im Herbst

Das Sterben der Kraniche: Was bedeutet die Vogelgrippe für die Vogelfütterung?

Letztes Wochenende zu Besuch bei meiner Berliner Familie bewunderten wir am Rangsdorfer See den Vogelzug der Gänse und Kraniche. Wir merkten nicht, dass etwas nicht stimmt. Kaum sind wir zurück, erreicht uns die Nachricht von der rasanten Ausbreitung der Vogelgrippe. Die Bilder sterbender Kraniche in Brandenburg machen uns fassungslos. Zugleich taucht die Frage auf, ob wir uns angesichts der Vogelgrippe Sorgen beim Vogelfüttern machen müssen. Wir sind dieser Frage nachgegangen.

Kranichformation am Himmel

Das H5N1-Virus

Ich bin aufgewühlt von den Fernsehbildern aus den rbb-Nachrichten. Der Kranich, der seltsam steif im Wasser steht, statt vor dem Kamerateam wegzufliegen. Ich verstand es nicht sofort: Er kann nicht mehr fliegen. Ein anderer Kranich trudelt um sich selbst herum, als sei er verrückt geworden. „Zentralnervöse Störungen (abnorme Kopfhaltung, Gleichgewichtsstörungen)“ lese ich dazu später in der Symptombeschreibung des Friedrich Loeffler Instituts.

Diese Bilder vor Augen lese ich von der verzweifelten Arbeit der Freiwilligen, die unermüdlich tote Kraniche aus dem Linumer Teichland fortschaffen, einem der großen Zugvogel-Sammelplätze nördlich von Berlin. Keine 70 km Luftlinie vom Rangsdorfer See entfernt, wo wir gerade noch unbeschwert beobachteten, wie Gänsetrupps über uns hinweg flogen, und wo sich bei den Rastplätzen am gegenüberliegenden Ufer immer wieder Kranichschwärme zeigten.

In Linum ist nun Eile geboten, damit sich nicht andere Tiere an den Kadavern anstecken und die Seuche weitertragen. Die wenigen freiwilligen Helfer rufen nach Hilfe, fordern den Einsatz des Technischen Hilfswerks (THW) – aber das kann erst ausrücken, wenn der Krisenfall ausgerufen wird. Hoffentlich müssen nicht erst Tausende von Kranichen verenden und viele Zehntausend Hühner, Puten, Enten und Gänse aus der Nutztierhaltung gekeult werden, bevor das geschieht!

Darf man bei Vogelgrippe weiter Wildvögel füttern?

In diese Sorge hinein drängt sich eine andere Frage: Gehört zur Prävention auch, Wildvogelfutterstellen stillzulegen? Gefährde ich die Vögel in unserem Garten, indem ich einen Ort geschaffen habe, der für viele Arten und Individuen ein beliebter Treffpunkt geworden ist?

junger Star und Sperling an Futterschale

Um es vorwegzunehmen: Wir müssen unsere Spatzenkolonie nicht im Stich lassen und auch nicht unsere Meisen, Finken und das Rotkehlchen, das passend zur dunklen Jahreshälfte in unseren Garten eingeflogen ist.

Ihr könnt, egal in welchem Bundesland, bei euch im Garten oder auf dem Balkon auch bei akuter Epidemie weiter eure Wildvögel füttern. Warum Vögelfüttern trotz Vogelgrippe unbedenklich ist? Hier kommt die ausführlichere Antwort.

Meine erste Recherche führt mich zu den Naturschutzverbänden. Die sprachen bei früheren Ausbrüchen der Vogelgrippe eine deutliche Entwarnung aus: „Keine Panik! Das Virus ist nicht gefährlich für Gartenvögel“ titelte z.B. der LBV. Und auch der NABU sagt, dass am Futterhaus kein erhöhtes Risiko bestehe und man trotz Vogelgrippe Vögel füttern darf. Hygienemaßnahmen natürlich vorausgesetzt.

Ich will es genauer wissen. Schließlich spricht die Staatliche Vogelschutzwarte in Brandenburg von einem »in dieser Größenordnung bislang einmaligen Ausbruch einer Wildtierseuche«. Noch nie sind so schnell so viele Wildvögel an der Vogelgrippe gestorben wie jetzt gerade in Brandenburg. Gilt für Singvögel trotzdem das Gleiche wie bei vorangegangenen Ausbrüchen?

Ich frage nach bei Prof. Dr. Berthold. Der weit über Deutschland hinaus bekannte Experte, emeritierter Direktor der Vogelwarte Radolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie, hat uns auch schon bei unserer Futterzusammenstellung geholfen. Eine Stunde später kommt seine E-Mail:

„Von der Vogelgrippe sind auch diesmal praktisch nur Großvögel betroffen, und so wird es wohl auch bleiben. Deshalb Futterstellen unbedingt weiter betreiben – nur gut genährte Vögel sind auch gegen Krankheiten gut gefeit; hungern lassen würde viele schwächen und im Ernstfall anfällig machen.“

Kraniche auf Feld und Wiese
Die Population der Kraniche wird durch den aggressiven Vogelpest-Virus deutlich dezimiert. Singvögel sind nicht betroffen.

Ich bin erleichtert, dass seine Antwort so eindeutig ausfällt. Dann bleibt es also dabei: Die Wildvogelfütterung ist auch bei einer akuten Vogelgrippe-Epidemie sinnvoll bzw. wird sogar noch wichtiger.

Hygiene an der Futterstelle

Hygiene bei der Vogelfütterung ist immer wichtig. Während eines Vogelgrippe-Ausbruchs sollten Sie jedoch besondere Aufmerksamkeit walten lassen! Beherzigen Sie folgende Ratschläge, um zu verhindern, dass Infektionskrankheiten über kontaminierte Futterstellen weitergegeben werden können:

  • zum Eigenschutz vorsichtshalber beim Säubern und Befüllen der Futterstelle Handschuhe tragen, evtl. Mundschutz
  • ein Futterhaus täglich befüllen, nicht auf Vorrat auslegen
  • tägliches Reinigen des Futterhauses mit Besen, Spachtel o.ä., Reste zusammenkehren und in der Mülltonne entsorgen, Oberflächen mit heißem Wasser reinigen
  • Alternativ zum Futterhaus: Einsatz einer Futtersäule – hier sitzen die Tiere nicht im Futter
  • An Tränken ebenso auf Hygiene achten: Täglicher Wasserwechsel ist ein Muss, Tränke ebenfalls mit heißem Wasser säubern

Hoffentlich werden wir weiterhin im Frühjahr Scharen von Kranichen am Himmel als Glücks- und Frühlingsboten begrüßen!

Kranich-Formation am Himmel

Fotos: Kraniche an Land: © Peter Schubert, https://www.flickr.com/photos/stechfliege; Kraniche am Himmel: © www.klaras-verlag.de; Star und Spatz an Futterschale: © Rasmus Biovogelfutter



Kommentare

  1. Hallo, ja auch wir sind echt traurig über das Sterben der Zugvögel und die Ausbreitung des Virus. Zum Glück sind die Singvögel nicht betroffen. Danke für die Informationen! Wisst Ihr etwas über die Entstehung bzw.Ursachen der Krankheit? Hat es auch mit der Massentierhaltung bei Hühnern, Puten etc.zu tun?

    1. Danke Vera, das ist eine sehr gute Frage! Wir sitzen da dran, auch etwas zu den Ursachen zu schreiben, und werden den Text bald aktualisieren. Vorab schon einmal: Man macht es sich zu einfach, wenn man wie Brandenburgs Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft Hanka Mittelstädt sagt: „Ja, es ist die Natur, die da zuschlägt.“

      1. Es ist jetzt ein eigener Blogtext geworden über die Ursachen der Vogelgrippe: Das Sterben der Kraniche (Teil 2): Wo kommt die Vogelgrippe her?

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